THE 80s. Die Kunst der 80er Jahre

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Die Ausstellung „The 80s“ in der ALBERTINA MODERN präsentiert über 160 Arbeiten von KünstlerInnen, die nicht nur dieses Jahrzehnt bestimmten, sondern deren Schaffen weit in die Kunst des 21. Jahrhunderts vorausreicht.

David Salle
Room with blue statue, 1986
Öl, Acryl und lichtempfindliches Leinen auf Leinwand
ALBERTINA, Wien – The ESSL © Bildrecht, Wien, 2021

Schrill und bunt
Die 1980er: Es ist das Zeitalter des (Neo-)Liberalismus, der nun endgültig in
Gesellschaft, Politik und Wirtschaft angekommen ist. Margaret Thatcher und Ronald Reagan regieren mit konservativen Kräften den anglo-amerikanischen Raum. Das Aufkommen der ersten PCs, von Videospielen, Globalisierung, der Öffnung der nationalen Grenzen und steigende Mobilität suggerieren eine Welt in relativer Harmonie. Kino-Besucherrekorde, technischer Fortschritt und die Verlockungen des Konsums versprechen eine rosige Zukunft. Auch vom Ende der Geschichte, einem saturierten, westlich dominierten Weltbild ist da und dort die Rede.
Und doch: Das Ende des Zweiten Weltkrieges ist nur ein junges Menschenleben entfernt. Nach vorne drängt eine Generation, die genug vom Nachkriegsmuff hat. Eine Generation, der Wohlstand und Gemütlichkeit keineswegs genügen. Wer sich nicht zu sehr ablenken lässt, erkennt eine Welt im Ost-West-Konflikt, spürt den Druck der permanenten atomaren Aufrüstung oder ist durch die Friedensbewegung und die deutsche Wiedervereinigung geprägt. Es ist ein Jahrzehnt der Rebellion, aus den Radios ertönt Elektromusik mit sinnlosen Texten, Wave und Punk zeigen der Gesellschaft offen ihren Unmut. Aus dem Untergrund erwächst eine Avantgarde, die experimentiert, in Frage stellt und einen Spiegel vorhält. Die Kunst der 1980er ist bunt und facettenreich. Sie kann alles sein, nur eines nicht: langweilig.
In den Achtzigerjahren wurde plötzlich alles möglich. Die großen gesellschaftlichen und politischen Umbrüche sind auch in der Kunst deutlich sichtbar. Künstlergruppen brechen mit dem festgefahreren Kunstbetrieb, entthronen die Avantgarde: Die „Jungen Wilden“ entdecken die bildende Kunst neu und stellen – ebenso
selbstbewusst wie gesellschaftlich engagiert – unter dem Begriff „Heftige Malerei“ aus.

Zelebrierung der Vielfalt
Nicht eine Geschichte, sondern viele kleine Erzählungen bestimmen die 1980er-Jahre. Vielfalt im Denken und Handeln, Wissen und Glauben haben Hochkonjunktur. Grenzerweiterungen in vielerlei Hinsicht und Vernetzung gehören zu den wesentlichen Kennzeichen dieser Zeit. Wie kaum ein anderes Jahrzehnt haben sich die Achtzigerjahre ins Gedächtnis derjenigen eingebrannt, die diese Dekade erlebten. Die schrillen Retrovisionen, die in zyklischen Abständen ein Revival erleben, begeistern aber auch heute noch jüngere Generationen. Nach den kargen Jahren von Konzeptkunst und Minimalismus äußern sich die Neuen Wilden nun auf bunte und vor allem auch sehr experimentelle Weise. Entdeckung und die Freude am Neuen stehen im Vordergrund. Ein Versuchslabor, das auch vor Kitsch und Pathos keinerlei Berührungsängste mitbringt. Mehr noch: Als sicheres Zeichen von Selbstreflektion, vielleicht auch als Augenzwinkern, wird der Finger dorthin gelegt, wo sich die massentauglich inszenierte Gesellschaft etwas zu ernst nimmt. In der bildenden Kunst macht sich das „Anything Goes“ des anarchistisch denkenden Österreichers Paul Feyerabend durch stilistischen Reichtum bemerkbar. Der sogenannte Hunger nach Bildern, der diese Dekade einläutete und sich in den expressiven Gesten der Jungen Wilden auf großformatigen Leinwänden widerspiegelt, ist nur als Gegenbewegung zu den minimalistischen und konzeptuellen Strömungen der 1960er- und 1970er-Jahre verständlich. „Die Kunst wuchert, zeugt Triebe und
Filiationen, bildet Knotenpunkte und Verästelungen“, schreibt der Herausgeber des damals angesagten Kunstmagazins Wolkenkratzer Wolfgang Max Faust. Nun steht Abstraktion neben greifbarer Figuration, Emotion neben rationaler Kühle. Die neuen Medien, das anbrechende digitale Zeitalter bringen eine neue Kunst der Chiffre, Fiktion und Kopie hervor.

Wiege der heutigen Kunst
Die 1980er-Jahren, die von Jeff Koons und Jenny Holzer über Jean-Michel Basquiat und Keith Haring bis zu Cindy Sherman und Richard Prince reichen, sind die Wiege der Kunst von heute. Fragen der Aneignung und der Autorschaft werden genauso diskutiert wie Kritik an der Konsumkultur. Das Oeuvre von österreichischen Kunstschaffenden wie Brigitte Kowanz und Erwin Wurm über Herbert Brandl und Maria Lassnig bis zu Franz West und Peter Kogler gliedert sich in der Ausstellung The 80s. mühelos in den Kanon eines internationalen Staraufgebots ein. Vertreter sind u.a. Jean Michel Basquiat, Jeff Koons, Keith Haring, Robert Longo, Cindy
Sherman, Sherrie Levine und Jenny Holzer. Ihre Kunst bezeichnet einen wichtigen Wendepunkt in der jüngeren Kunstgeschichte. Aber nicht nur die Hauptvertreter der amerikanischen Picture Generation und der
Approbiation Art zeigt die Ausstellung über die 80er-Jahre, sondern auch die wichtigsten Exponenten der italienischen Transavantgarde wie Francesco Clemente und Sandro Chia, und auch dem bis heute einflussreichen deutschen Beitrag dieses Jahrzehnts, Martin Kippenberger und Albert Oehlen, sowie die wichtigsten österreichischen KünstlerInnen der 80er-Jahre, Brigitte Kowanz und Isolde Joham, daneben Brandl, Schmalix, Scheibl und Moosbacher. Als Hauptvertreter der Neuen Wilden, Rockenschaub und Peter Kogler als Vertreter des Neo Geo und der Installationskunst. Einzelfiguren wie Franz West, Erwin Wurm und Maria Lassnig werden eine herausragende Rolle spielen in diesem Überblick über das in seiner Bedeutung für die Gegenwartskunst gar nicht zu überschätzenden Jahrzehnt.