Konzertkritik – Leonard Cohen

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In der Ruhe liegt die Kraft

Leonard Cohens Auftritt in Wiesen geriet zum Triumph

Was muss es für die zweifellos zahlreich anwesenden Musikproduzenten für ein Schock gewesen sein, als sie die ersten Konzerte der derzeit laufenden Comeback Tournee von Leonard Cohen gesehen hatten. Heutzutage wird eine ganze Armee von Songschreibern, Tänzern, Choreographen, Stylisten und Marketingspezialisten beschäftigt um einen Star zu kreieren. Und dann betritt ein 74jähriger die Bühne, lächelt kurz in Publikum, erhebt seine Stimme und degradiert damit die gesamte aktuelle Musikszene zu talentlosen Stümpern.

Mit tänzerischer Leichtigkeit betrat Cohen beschwingt die Bühne von Wiesen griff zum Mikrophon und damit war das Konzert bereits gelaufen. Liebenswert, höflich und mit unverwechselbaren Timbre eröffnete er ein Konzert voller Höhepunkte und grandiosem Ausdruck. Das Alter hat seiner Stimme hörbar gut getan, nie zuvor klang der Kanadier intensiver. Cohen braucht keine Showeffekte, keine bis zum Anschlag aufgedrehten Verstärker, seine Songs fordern Geduld und „zuhören können“.

Unterstützt von einer hinreißenden Band, startete er mit „Dance me to the End of Love“ in eine unvergessliche Show. Dabei bot er seinen Musikerkollegen ausreichend Platz, die diese, jeder für sich ein Meister seines Fachs, dankbar nutzten. Cohen versteht sich offenbar als Bestandteil des Ganzen, er agiert mehr aus dem Hintergrund heraus und brachte sich und seine Stimme als Bindeglied mit ein. Das wurde einmal mehr bei „Bird on the Wire“ sichtbar, als sich Leonard Cohen in die Reihe seiner Sängerinnen einfädelte und den Klassiker zum Leben erweckte.

Sparsam in seinen Gesten, aber gewaltig in der Wirkung steuerte der erste Teil der Show mit „Everybody knows“ und „In my Secret World“ auf das Finale zu.

Nach rund 20minütiger Pause betrat Cohen die Bühne mit einer abgespeckten Version seiner Band und sorgte mit dem spartanisch instrumentierten „Tower of Song“ für Gänsehaut. „Suzanne“ und „Sisters of Mercy“ folgten auf dem Fuße und zauberten so manche Träne in die Augenwinkel der weiblichen Besucher.

Die Hommage an Wien „Take this Walz“ beendete den offiziellen Teil der Show, doch der Kanadier ließ sich nicht lange bitten und begeisterte mit nicht weniger als sieben Zugaben inklusive „So long Marianne“ und „First we take Manhattan“.

Nach zwei Stunden und 40 Minuten kniete Cohen auf der Bühne vor seinem Publikum und das Publikum im zum Bersten gefüllten Festivalgelände Wiesen verneigte sich glücklich und dankbar vor einem der Größten der Musikgeschichte.