Vom Café Einfall in den Rabenhof: Sven Regener las aus „Glitterschnitter“

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von Georg Steiner

20 Jahre ist es her, seit der Sänger der Band Element of Crime zum Romanautor mutierte. Sven Regener galt schon zuvor als Meister der Worte, in „Herr Lehmann“ expandierte er seine Kunst vom 3-Minutensong auf Romanlänge. Seither hat die schräge Welt des Bremers in Berlin zahlreiche neue Geschichten erhalten. Mit „Glitterschnitter“ legte der Autor vor kurzem ein neues Kapitel seiner lose zusammenhängenden Romanreihe vor, das nun seine „Live-Aufführung“ im Wiener Rabenhof Theater erfuhr.

Georg Steiner und Sven Regener vor vielen Jahren in Wiesen

Regener gilt nicht erst seit gestern als kongenialer Darsteller seiner eigenen Romanfiguren. Im Rahmen seiner Lesungen erweckt der Sänger und Autor seine Geschichten förmlich zum Leben. Die mit vollem Einsatz von Körper und Stimme vorgetragenen kleinen Alltagsbeobachtungen rund um Karl, H. R. Ledigt, P. Immel, Kacki und natürlich Frank Lehmann entführten die Besucher im ausverkauften Rabenhof ins Berlin Kreuzberg der 1980er Jahre. Regeners Figuren leben im goldenen Zeitalter Anfang 20, irgendwo zwischen erwachsen sein und Kind geblieben.

Auf der Suche nach dem perfekten Melange

Dabei beobachten die Leser ihre liebgewonnenen Helden auf der Suche nach der Selbstfindung und dem perfekten Melange im Café Einfall. Regener kehrt in seinen Büchern immer wieder zu seinen bekannten Charakteren aus der Vergangenheit zurück. Dabei fügt er ihnen neue Details hinzu, die ihre Entwicklung spannend gestalten.

„Glitterschnitter“ ist ein großer Roman über Freundschaft, Kunst und Liebe in einer verrückten Zeit. Genauso groß gestaltete sich auch der Auftritt in Wien. Regener zählt schließlich schon zum Inventar des Kellertheaters. Verlässlich wie ein Uhrwerk absolviert der Sprachkünstler nach jeder Romanerscheinung seine Auftritte und das stets vor ausverkauftem Hause. So war es auch diesmal, wenngleich die Organisatoren auf eine strenge Umsetzung der Pandemie-Regeln achtet mussten.

Die Absurdität des Alltags kann fesseln

90 Minuten lang las Regener aus den fünf Abschnitten seines Romans und fesselte das Publikum von Beginn an. Vergessen waren die strengen Kontrollen, die Verlagerung der Bar in die Eiseskälte vor dem Rabenhof und die Maskenpflicht im Saal. Regners präzise Beobachtungsgabe und sein einzigartiges Talent, die Komik in der Absurdität von Alltagssituationen aufzuspüren, verfehlte auch diesmal nicht ihre Wirkung.

Der beste Pop-Texter seine Generation ist im Laufe der letzten 20 Jahre auch zum Literaturstar avanciert und das aus gutem Grunde. Seine mitreißenden Lesungen haben das ihre dazu beigetragen. Dementsprechend lange war die Schlange im Anschluss beim Signieren seiner Bücher. „Glitterschnitter“ ist jener Erfolg beschieden, dem die gleichnamige Band im Buch noch hinterherläuft.