Lebenswege in der Diktatur

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Das Haus der Geschichte präsentiert die Zeit zwischen 1918 und 1945 neu

„Der Gürtel von Walter Fantl-Brumlik ist zweifellos das bekannteste Exponat im erneuerten Bereich der Dauerausstellung“, erklärt Christian Rapp, wissenschaftlicher Leiter des Hauses der Geschichte im Museum Niederösterreich. Der aus Amstetten stammende Walter Fantl-Brumlik überlebte das KZ Ausschwitz-Birkenau, der Gürtel war in dieser Zeit sein Talisman. Solange er ihn besitze, meinte Fantl, könne ihm nichts passieren. „Wir haben aber auch für andere Opfergruppen des Nationalsozialismus beispielhafte Biografien recherchiert, die mit Fotografien, Objekten und Dokumenten dargestellt werden. Etwa die eines Hilfsarbeiters aus Wien, der aufgrund seiner sexuellen Orientierung im KZ Mauthausen inhaftiert wurde und dort ums Leben kam oder die einer psychisch kranken Frau aus Amstetten, die in der Tötungsanstalt Hartheim ermordet wurde“, so Rapp.  

Der neue Themenbereich setzt ein mit der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, als wichtige Herausforderungen wie etwa der Kampf um die Grenzen oder die schwierige Versorgung der Bevölkerung gemeistert werden konnten. Auch die Einführung einer modernen Verfassung und die Sozialgesetzgebung waren ein Erfolg. Und doch blieb das politische Klima in der Ersten Republik stark vergiftet. Für den Aufbruch der 1920er-Jahre steht unter anderem ein frühes Radiogerät und die Klarinette von Ludwig Wittgenstein, die dieser als Lehrer im südlichen Niederösterreich verwendet hat.

Der Großteil des Ausstellungsbereiches ist dem Nationalsozialismus und dem Zweiten Weltkrieg gewidmet. Erstmals gezeigt werden dabei Zeichnungen von Wladimir Gubenko, der als Kind die deutsche Eroberung von Brest-Litowsk miterlebte. Sie dokumentieren das brutale Besatzungsregime der deutschen Wehrmacht in Ost- und Südosteuropa.

„Der Themenbereich ist jetzt wesentlich schlüssiger geworden. Es werden die gesellschaftlichen Fehlentwicklungen deutlicher erkennbar, aber auch die Brüche in vielen Biografien der Zeit. Wesentlich ist uns auch, die Vielfalt an Opfergruppen der NS-Zeit deutlich zu machen und deren oft jahrzehntelang verschleppte Anerkennung“, so Rapp.

Am Freitag, den 22. Oktober 2021 wurde am Wohnhaus der Familie Fantl in Bischofstetten eine Gedenktafel enthüllt. Am selben Tag um 18:30 Uhr fand im Haus der Geschichte in St. Pölten das Zeitzeugen-Forum „Erzählte Geschichte“ mit Fantl-Biograf Gerhard Zeillinger und INJOEST-Direktorin Martha Keil statt. Bei beiden Veranstaltungen waren Angehörige von Walter Fantl anwesend. Seitdem ist auch der neu gestaltete Ausstellungsbereich im Haus der Geschichte für das Publikum geöffnet.