Interview mit Sven Regener

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Georg Steiner und Sven Regener
Georg Steiner und Sven Regener

Kulturgericht hat mit Sven Regener von „Element of Crime“ ein Interview geführt:

Kulturgericht: Deutschsprachige Rockmusik ist spätestens seit dem Comeback von Nena wieder kommerziell sehr erfolgreich, wirkt sich das auch auf den Erfolg von EoC aufs?
Sven Regener: Für uns läuft es sehr gut. Ich nehme an, wir werden für Mittelpunkt der Welt in den nächsten 1-2 Jahren Gold bekommen. Was aber auch daran liegt, dass der Level für Goldenen Schallplatten herunter gesetzt wurde. Früher musste man 250. 000 Platten verkaufen und heute noch 100.000, weil man der Markt insgesamt so runter ging.
Wir haben nicht zu klagen. Es gibt ja auch Bands, wie Juli, Silbermond, Wir sind Helden, die sehr erfolgreich sind. Das ist eine gute Sache. Ich glaube nicht, dass wir direkt dmait etwas zu tun haben. Wir hatten mehrere Sprünge in unserem Erfolgen. Nach unserem zweiten Album 1987 haben wir 10.000 Platten verkauft. „Weisses Papier“ ist dann zum ersten Mal in die Charts gekommen. Das hat viele Leute sehr erstaunt. Da war 1993 und da haben wir dann 50-6000 Platten verkauft. Mit „Mittelpunkt der Welt“ sind wir jetzt bei 95.000 verkauften Platten. Das ist ganz gut. So eine Musik, wie wir sie machen – es gibt immer Zeiten wo die Aufmerksamkeit der Medien an unserer Band größer ist – manchmal steht mehr die Rockmusik im Vordergrund, dann wieder Hip-Hop – je nachdem wo sich gerade etwas tut.
Vielleicht ist es auch die Sturheit mit der wir weitermachen. Irgendwann kommt man da nicht dran vorbei. Ich glaube nicht, dass es da einen engeren Zusammenhang gibt.

Kulturgericht: Siehst du EoC als Wegbereiter für den Erfolg dieser Bands?
Sven Regener: Nein, das wäre unverschämt, dass für sich zu beanspruchen. Man darf auch nicht vergessen, der deutschen Rockmusik ging es nie schlecht auch wenn man es nicht immer so wahrgenommen hat. Ärzte, Tote Hosen, Grönemeyer, Pur –das läuft ja seit Ewigkeiten und 3 Tagen. Westerhagen oder so – das ist immer schon am Markt gewesen. Wir waren da immer in einer eigenen kleinen Nische unterwegs. Viele haben sich gefragt, ist das überhaupt Rockmusik, das ihr da macht.

Kulturgericht: Wie bezeichnet ihr eure Musik?
Sven Regener: E-Gitarre, Schlagzeug – was soll das denn sein? Natürlich Rockmusik. Vom Songschreiben her hat das ganze so einen folkig-rockigen Aspekt. Früher wurde es auch oft mit Chanson umschrieben, wenn man zwei Songs auf französisch macht, dann bettelt man ja quasi darum – aber im Grunde genommen, war es immer Rockmusik. Wir kommen ja eigentlich aus dem Punk und Hardrock Anfang der 80er Jahre. Aber unsere Art des Songwritings kennt man eher aus der Folkmusik.
Vom Sound her hat „Mittelpunkt der Welt“ so was folk-rockiges. Mehr als „Psycho“ oder andere Platten.

Kulturgericht: Junge Bands beschweren sich immer wieder über Druck von Plattenfirmen und Produzenten Ihren Sound Trends anzupassen, waren EoC jemals damit konfrontiert?
Sven Regener: Natürlich, es gibt immer Druck, aber das ist ja nicht bös gemeint. Man muss sich dem Druck ja auch nicht beugen. Ich glaube nicht, dass die Polygram uns noch lange weiter gemacht hätte, wenn wir nicht angefangen hätten, deutsche Texte zu machen.

Kulturgericht: Hast du diese Entscheidung je bereut?
Sven Regener: Überhaupt nicht, es war ja nur oberflächlich. Uns gefällt es ja selber und es ist ja nicht was gänzlich anderes. Es war eine gute Sache, das zu machen. Wir haben es nicht wegen der Plattenfirma gemacht, aber die Plattenfirma wusste, dass sich das nicht mehr weiter entwickelt. Druck gibt es immer, aber da muss man halt zu bestimmten Dingen auch nein sagen. Wenn etwas nicht zu uns passt bzw. uns nicht entspricht – muss man auch nein sagen. Dann können sie Druck ausüben soviel sie wollen, dann stellt sich nur die Frage gibt man dem Statt oder nicht. Man muss damit rechnen, dass sie einem rausschmeißen, das ist uns nicht passiert, da wir bei der Plattenfirma einen guten Manager hatten.
Wir mussten kämpfen, als wir zu Polydor kamen, da war das noch eine stark schlagerbetonte Firma. Die haben in den 80ern die Rockmusik gar nicht verstanden. Dass man zbps nicht jede Fernsehshow auf alle Fälle macht.

Kulturgericht: In Österreich gibt’s immer wieder heftige Diskussionen die in der Forderung münden eine Quote für österreichische Popmusik im Radio einzuführen, was hältst du von solchen Forderungen?
Sven Regener: Ich war immer dagegen, so was hat immer viel mit Geld und Subventionen zu tun und es ist eine Form der Zensur. Es führt zu Verzerrungen. Ich will nicht, dass man uns im Radio spielt nur weil man es muss. Das taucht in Deutschland immer wieder auf – wie eine Moorleiche, die immer wieder mal hochpoppt. Alle paar Jahre kommt dieses Thema wieder hoch – das ist wirklich fad.

Kulturgericht: Dh. Qualität setzt sich langfristig durch?
Sven Regener: Das ist nicht gesagt, vielleicht setzt sie sich auch nicht durch. Was heißt schon Qualität – das sieht ja jeder anders.

Kulturgericht: Der illegale Download von Musik knabbert die Plattenverkäufe teilweise dramatisch an, wie gehst du als Kreativer damit um, dass deine Werke kostenlos von jedermann erhältlich sind?
Sven Regener: Es ist schon ein Problem. Diese Tauschbörsen find ich sehr respektlos – so wie ein Ladenklau. Ich finde es gut, dass man CD’s auch im Internet kaufen kann. Die meisten Leute machen sich auch nicht klar, was es bedeutet. Erst wenn der letzte Song gerippt ist, werdet ihr feststellen, dass man nicht nur Joe Cocker hören kann. Irgendwann kann man ja dann keine Musik mehr produzieren. Musik zu produzieren kostet viel Geld und das Geld muss ja dann auch irgendwo wieder herein gekommen – das übersehen viele. Jeder der Musik aus dem Internet herunter lädt gibt Geld aus für seinen Computer und für Computerprogramme – da hat er kein Problem damit, aber die Musik soll umsonst sein. Das finde ich respektlos – eine Unverschämtheit.
Was ganz anderes ist, wenn ich meinem Kumpel eine CD brenne – dieses Tauschen hat es immer schon gegeben und das ist auch richtig.
Viele Journalisten meinen, Musik müsste gratis zur Verfügung stehen. Sie alle arbeiten aber für Printmedien, deren Inhalt im Internet aber auch nicht gratis ist. Das ist auch ok so, warum sollte ich im Internet gratis in einem Zeitungsarchiv nachschlagen können. Wie kommt man dann aber auf die Idee, dass es beim Musik downloaden scheißegal ist? Bewim Film sagt auch keiner, da muss alles umsonst sein. Da haben alle begriffen, dass die Herstellung eines Films Geld kostet, Aber bei Musik – wahrscheinlich weil es so unstofflich und abstrakt ist – glauben alle, dass es nichts wäre. Das ist eine Kränkung für alle Künstler. Wenn ich selber etwas gratis ins Netz stelle ist das was anderes – denn dann ist es meine eigene Entscheidung. Das muss aber immer noch mir überlassen sein.

Kulturgericht: Du hast in Interviews anlässlich der Veröffentlichung deines Romans „Neue Vahr Süd“ die Geschichte von Herrn Lehmann als Trilogie angekündigt, wann erscheint ein neues Buch?
Sven Regener: Ich schreibe gerade daran und er wird nächsten Sommer erscheinen – wenn alles gut geht. Vielleicht schmeiß’ ich auch alles wieder weg. Bloß weil das Hotelzimmer schon für die Frankfurter Buchmesse 2008 gebucht ist, heißt das ja nicht, dass man es nicht wieder abbestellen kann. Es wird sehr interessant – ungefähr die Hälfte habe ich schon geschrieben.
Es schließt inhaltlich an „Neue Vahr Süd“ an. Herr Lehmann muss nach Berlin, weil er nicht weiß, was er machen soll. Das macht auch schon. Noch kann ich selber gespannt sein, weil ich ja erst die Hälfte geschrieben habe.

Kulturgericht: Es fällt auf, dass bei den letzten Konzerten von EoC die Zahl des Publikums immer mehr anwächst. Hast du den Eindruck, dass dein Erfolg als Autor auch den Erflog von EoC beeinflusst bzw umgekehrt?
Sven Regener: Nicht so stark, wie man denken möchte. Man merkt schon, dass auch Leute kommen aus Neugierde, um den Autor zu sehen. Musik ist so stark Geschmackssache., Man kann nicht annehmen, daß jemand der das Buch mag auch automatisch die Musik mag. Umgekehrt natürlich auch: man kann die Musik mögen und das Buch doof finden. Sicher spricht es sich durch das Buch mehr herum, dass es die Band gibt. Es gibt immer noch Leute in Deutschland, die von der Band noch nie gehört haben – und demnach auch nicht wissen, ob sie unsere Musik mögen oder nicht. Wir werden nicht so oft im Radio gespielt. Wenn jemand 25 Euro für ein Konzertticket bezahlt, ist das eine Entscheidung für die Musik. Wir waren sehr überrascht als bei unserem Konzert in Wien im Gasometer 3000 Zuschauer waren. Aber das liegt sicher daran, dass wir in Österreich auch im Radio gespielt werden. FM4 spielen uns und kennen uns – und das merkt man dann auch.

Kulturgericht: Die Verfilmung deines Debütsromans wurde von Fans und Kritik sehr gelobt, ist eine Verfilmung von „Neue Vahr Süd“ geplant?
Sven Regener: Wir sind zwar in Verhandlungen aber das ist schwierig, weil das Buch so dick und komplex ist. Es spielt in zwei verschiedenen Welten. Da würde man sehr viel kürzen müssen und das möchte ich nicht so gern. Es gibt auch Gespräche über eine Fernsehserie oder einen Mehrteiler – aber das ist noch gar nicht spruchreif.

Kulturgericht: Das ist euer zweiter Auftritt in Wiesen, erinnerst du dich noch an euren ersten im Jahr 1995?
Sven Regener: Ich erinnere mich noch ganz gut, wir sind damals über Prag hergekommen. Das war am Forestglade Festival, das war ein anderes Konzept und da waren noch andere bekannte Namen dabei.
Das State of the Heart ist ein ganz neues Konzept – das muss sich erst etablieren.

Kulturgericht:„Mittelpunkt der Welt“ ist mittlerweile zwei Jahre alt, sind die Songs schon aufgebraucht, dh wann gibt’s neues zu hören?
Sven Regener: Heute spielen wir „Mittelpunkt der Welt“ aber mir mischen ein paar Songs unter, die man gar nicht erwartet, die man ewig nicht gehört hat.
Nächstes Jahr werden wir wahrscheinlich anfangen neue Songs zu schreiben. Es wird dann auch wieder Zeit.

Kulturgericht: Vielen Dank für das Interview!