Ingo Schulze ernennt Frank Witzel zum Erich Fried Preisträger 2021

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Öffentliche Preisverleihung | Sonntag, 28. November 2021
11 Uhr | Literaturhaus Wien | www.erichfriedtage.com

Der Erich Fried Preis, eine der renommiertesten literarischen Auszeichnungen Österreichs, wird seit 1990 durch die Internationale Erich Fried Gesellschaft vergeben und von jährlich wechselnden Einzeljuror/inn/en entschieden. Der Preis wird vom Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport gestiftet und ist mit 15.000 Euro dotiert. Zu den Preisträger/inne/n der letzten Jahre zählen Terézia Mora, Thomas Stangl, Nico Bleutge, Rainer Merkel, Judith Hermann, Dorothee Elmiger, Leif Randt, Teresa Präauer, Steffen Mensching und zuletzt Esther Kinsky.


Im Jahr 2021 wurde der deutsche Autor Ingo Schulze zum alleinigen Juror bestimmt. Entschieden hat dies ein dreiköpfiges Kuratorium, das von der Internationalen Erich Fried Gesellschaft aus den eigenen Reihen ernannt wird. In diesem Jahr besteht das Fried-Preis-Kuratorium aus den Autoren Josef Haslinger und Robert Schindel sowie der Wagenbach-Verlegerin Susanne Schüssler.

Foto: Maja Becherl

Die Wahl von Ingo Schulze ist auf den deutschen Autor Frank Witzel gefallen.

Frank Witzel wurde für seinen Schlüsselroman »Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969« (Matthes und Seitz, 2015) mit dem Deutschen Buchpreis 2015 ausgezeichnet und sein zuletzt erschienenes Werk »Inniger Schiffbruch« (Matthes und Seitz, 2020) wurde als großartige Mentalitätsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland der 1960er-Jahre gefeiert.

Ingo Schulze in seiner Jurybegründung: »Über Frank Witzel zusammenfassende Sätze zu formulieren ist schwierig, weil sein Werk so vielgestaltig ist. Dabei ist es erst in den letzten sieben Jahren einer größeren literarischen Öffentlichkeit bekannt geworden und zu einem wesentlichen Teil auch erst in diesen Jahren entstanden.
Ob in Prosa, Lyrik, Essay/Traktat, Gespräch, Tagebuch, Hörspiel oder Vorlesung – Frank Witzel gehört zu den wenigen, deren Erzählen immer die Voraussetzungen des Schreibens reflektiert, die Relativität des eigenen Standpunkts offenlegt und sich selbst in Frage stellt. Damit macht er seine Leserinnen und Leser zu souveränen Gesprächspartnern.
Mit seiner BRD-Trilogie [Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969 (2015); Direkt danach und kurz davor (2017); Inniger Schiffbruch (2020)] entwirft er ein Porträt, das (West)Deutschland in seinem Gewordensein und Werden zeigt und damit die Selbstverständlichkeiten zutage fördert, die es in jenen ausprägt, die dort aufgewachsen sind. Gerade weil Frank Witzel so schonungslos in den Westen eintaucht, ist auch der Osten immer anwesend. In einzigartiger Art und Weise werden Ost und West (aus Westperspektive) in ihrer gegenseitigen Bedingtheit gezeigt.«

Staatssekretärin für Kunst und Kultur Andrea Mayer: »Spätestens seit seinem Roman Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969 wissen wir, dass Frank Witzel in die erste Reihe der deutschsprachigen Gegenwartsautorinnen und -autoren gehört. Warum wir ihn lesen sollten? Weil es pures Vergnügen bereitet, sich in seinen Büchern zu verirren und zu verlaufen. Und weil hier einer erzählend denkt und denkend erzählt – leidenschaftlich und gewitzt, sinnlich und theoriegesättigt, wirklichkeitsnah und fantastisch zugleich. Ich gratuliere dem diesjährigen Juror Ingo Schulze zu seiner Wahl und dem Preisträger Frank Witzel zu dieser verdienten Auszeichnung.«

Frank Witzel
wurde 1955 in Wiesbaden geboren, lebt als Schriftsteller und Musiker in Offenbach.
Sein literarisches Œuvre umfasst seit dem Lyrikdebüt »Stille Tage im Cliché« (1978) die Romane »Bluemoon Baby« (2001/2017), »Vondenloh« (2008/2018) und »Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969«, für den Frank Witzel mit dem Deutschen Buchpreis 2015 ausgezeichnet wurde. Für das gleichnamige Hörspiel erhielt er den Deutschen Hörspielpreis 2017.  Im selben Jahr wurde sein Roman »Direkt danach und kurz davor« für den Wilhelm Raabe-Literaturpreis nominiert; sein jüngstes Werk »Inniger Schiffbruch« (2020) stand auf der Longlist des Deutschen Buchpreises.
Darüber hinaus hat sich Frank Witzel besonders dem Hörspiel verschrieben: u. a. wurde 2018 die 15-teilige Hörspielserie »Stahnke« vom Bayerischen Rundfunk ausgestrahlt. Es folgten die Hörspiele »Jule, Julia, Julischka« (2019) und »Bruchstücke. Ein Hölderlin-Alphabet« (2020) für den Hessischen Rundfunk. Zudem veröffentlichte er eine Reihe von Essays, zuletzt: »Uneigentliche Verzweiflung, Metaphysisches Tagebuch I« (2019) »Erhoffte Hoffnungslosigkeit. Metaphysisches Tagebuch II« und »Die Unmöglichkeit eines Ich« (beide 2021). 2017 erhielt Frank Witzel die Poetikdozentur der Universität Heidelberg und 2018 die Poetikdozentur der Universität Tübingen. Nachdem er 2017/2018 der Inhaber der Friederichs-Stiftungsprofessur an der Hochschule für Gestaltung Offenbach war, wurde Witzel ab 2020 zum Honorarprofessor für »Freies Schreiben« ernannt.

Ingo Schulze
wurde 1962 in Dresden geboren und lebt in Berlin. Nach dem Studium der klassischen Philologie in Jena arbeitete er zunächst als Schauspieldramaturg und Zeitungsredakteur.
Sein Debüt »33 Augenblicke des Glücks« (1995), das St. Petersburg zu Beginn der Neunziger zum Hintergrund hat, und »Simple Storys. Ein Roman aus der ostdeutschen Provinz« (1998) machten ihn schnell auch über die Grenzen hinweg bekannt. Schulze zeichnet in den „Storys“ anhand von Alltagsschicksalen die Folgen der Wende und des Beitritts im Osten Deutschlands nach. 2005 folgte der groß angelegte Faustroman in Briefform »Neue Leben«, dann die Erzählbande »Handy« (2007) und »Orangen und Engel« (2010) sowie die Romane »Adam und Evelyn« (2008) und »Peter Holtz. Sein glückliches Leben erzählt von ihm selbst« (2017).
Zudem veröffentlichte Ingo Schulze Essays und Reden, darunter »Was wollen wir?« (2009), »Unsere schönen neuen
Kleider« (2012), »Dresden wieder sehen« (2021) sowie das Künstlerbuch »Einübung ins Paradies« (2016). Im Frühjahr 2020 erschien der Roman »Die rechtschaffenen Mörder« bei S. Fischer.
Ingo Schulze wurde vielfach national und international ausgezeichnet: Zuletzt wurde ihm 2020 der Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland für sein Engagement als politischer Autor und Künstler verliehen, sowie 2021 der Kunstpreis der Landeshauptstadt Dresden und der Preis der Literaturhäuser.